Stefan Wernert: Chimaerenrache
"Chimaerenrache" von Stefan Wernert ist der 17. Band der Kurzromanreihe "Weltenwanderer". Diesmal geht es um einen jungen Magier, der ein Verbrechen aufklären will, und um ein furchtbares Flussungeheuer auf der Jagd nach den Menschen, die ihm und seinesgleichen Schreckliches angetan haben.
Meriwan ist Jungzauberer an einer Akademie, hat einen magischen Grad erworben und gehört somit zu denen, die eine harte Auslese hinter sich haben. Gleich zu Beginn des Romans wird gezeigt, dass ein Zögling der Akademie auch ein anderes Schicksal haben kann: Meriwan ist Zeuge, als die Zelle eines jungen Magierschülers ausgeräumt wird, der sich offenbar selbst umgebracht hat. Kein Einzelschicksal in der Akademie. Doch kurz darauf erlebt Meriwan auf einem Ball, wie sich eine junge Adlige von einem Balkon stürzt, und plötzlich ist der junge Magus mittendrin in den Ermittlungen zu einem brisanten Kriminalfall. Es geht um Sklavenhandel und verbotene Experimente mit Menschen. Und offenbar ist einer der mächtigsten Zauberer der Akademie darin verstrickt.
Idee und Handlung sind interessant, fantasievoll und haben Potential. Die Verknüpfung von Magie- und Krimi-Story - wegen der völlig unterschiedlichen Logik beider Genres nicht ganz unproblematisch - ist gelungen und wirkt überzeugend. Konstruktion und Handlungsführung sind schlüssig. Allerdings ist die Erzählweise an einigen Stellen etwas ungelenk und hätte noch einiger Überarbeitungen bedurft. Trockene Inhaltsreferate darüber, was die Helden bei ihren Recherchen erfahren haben, wirken störend. Es wäre viel spannender gewesen, wenn der Leser bei der Suche "live" mit dabei gewesen wäre.
Unpassend erscheinen auch ausgedehnte Beschreibungen in Relativsatzhäufungen wie zum Beispiel diese während eines Überfalls durch Merians Augen gesehene Einzelheit:
"Tassilo hatte einen schneidigen Degen gezogen, dessen Heft mit verschnörkelten Motiven verziert war, die an Dornen- oder Efeuranken erinnerten." (S. 35).
Meriwan und seine Freunde werden gerade angegriffen, befinden sich mitten in einem Kampf auf Leben und Tod, und Meriwan hat nichts besseres zu tun, als die Schnörkel auf dem Degen seines Freundes zu betrachten? Die Beschreibung hätte, wenn der Autor denn soviel Wert darauf legt, viel besser beim ersten Auftreten des jungen Mannes erfolgen können. Dort hätte sie auch sehr schön zur Charakterisierung des etwas eitlen, gutaussehenden Tassilo dienen können.
Und ein tödlicher Schrecken, der plötzlich über eine Menschengruppe herfällt, kann kaum umständlicher und entschleunigender beschrieben werden als so:
"Nachdem Morebu einen Stich gegen den Oberschenkel erlitten hatte und sich nur noch mühsam auf den Beinen halten konnte, erschreckten sich sowohl Freund als auch Feind, dass ihnen beinahe die Herzen stehen blieben, als eine fürchterliche Kreatur aus dem Wasser schnellte und auf den Planken zu stehen kam." (S. 37)
Das ist beamtig und kann durchaus zwischen zwei Aktendeckeln als korrekter, juristisch wasserdichter Bericht abgelegt werden. Eine Kampfschilderung, die den Leser mit in das Geschehen hineinreißt, ist es nicht.
Was hätte sich alles aus der verunglückten Geisterbeschwörung und den dadurch auf den Helden einstürmenden Poltergeistern herausholen lassen! Immerhin sollte es ja ein Fluch sein, den Meriwan sein Leben lang nie wieder los wird. Warum lässt der Autor die Quälgeister dann nur noch in zwei kleinen Szenen - und viel zu zurückhaltend - auftauchen? Verschenkt.
So ist das Buch eher ein Steinbruch, in dem sehr gute Ideen und fesselnde Szenen wie etwa die Eingangsszene oder die Geisterbeschwörung zu finden sind. Eine erste Version, aus der ein nicht zu sparsam geschwungener Rotstift eine dichte, fesselnde Novelle machen sollte.
Fazit: Ein interessanter Stoff und eine einfallsreiche Geschichte mit viel Potential, der man einen brutaleren Lektor gewünscht hätte. Es wäre schön, den Roman in zehn Jahren noch einmal in überarbeiteter Form zu sehen.
Stefan Wernert: Chimaerenrache. Weltenwanderer XVII. Dortmund: Arcanum Fantasy Verlag, 2010. 76 S., Euro 4,95.
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© Petra Hartmann