Thilo Corzilius: Der Herr der Laternen
"Der Herr der Laternen" von Thilo Corzilius ist der Auftakt zu einer zehnteiligen Novellenreihe im Ulrich-Burger-Verlag. Wie der Untertitel bereits verrät, erzählt das Büchlein "Die traurige Geschichte vom glücklichsten Mann der Welt".
Es ist begrüßenswert, dass die schöne alte und oft totgesagte Novelle in jüngster Zeit wieder auflebt. Nach der gelungenen Reihe "Weltenwanderer" im Arcanum-Verlag widmet sich nun also ein weiterer Kleinverlag der zauberhaften kleinen Literaturgattung, und der Auftaktband ist durchaus vielversprechend. Das schmale Taschenbuch im handlichen Hosentaschenformat ist ansprechend gestaltet und hat ein beeindruckend schlichtes und doch pfiffiges Cover: Ein bleicher Vollmond steigt aus einem aufgeschlagenen Buch auf, Rauch oder Zaubernebel umgeben ihn, der Rest des Bildes ist nachtschwarz, da möchte man doch sofort zugreifen und losträumen.
Der Titelheld, der Herr der Laternen, ist eine Art übernatürliches Wesen, dessen Aufgabe es ist, auf der Erde für "Ordnung" zu sorgen, wobei Ordnung in diesem Falle bedeutet: darauf aufpassen, dass keine der "Laternen" zu hell strahlt. So gerät Malcolm Delaware ins Visier des Laternenherrschers: Der Mann hat seit Jahren und Jahrzehnten unwahrscheinlich viel Glück. Er braucht nur einen Lottoschein auszufüllen, und schon fallen seine Zahlen. Er gewinnt bei jedem Preisausschreiben, seine Aktien steigen unaufhaltbar, und ein Spielfilm, der von Malcolm Delaware finanziert wird, avanciert garantiert zum Blockbuster. So betrachtet, ist er wirklich der "glücklichste Mann der Welt". Bis die bezaubernde Eve in sein Leben tritt. Sie ist Agentin des Herrn der Laternen. Ihr Auftrag: Das Gleichgewicht wiederherstellen und das zu hell leuchtende Glückslicht Malcolms herunterzudimmen ...
"Der Herr der Laternen" ist eine sehr poetische und musikalische Geschichte. Die Sprache des Autors lässt sich leicht und angenehm lesen. Ein kleines Büchlein, das als Reisebegleiter im Zug für eine unbeschwerte Lesestunde zum Ausflug ins Märchenhafte einlädt. Vielleicht hätte man etwas deutlicher unterscheiden sollen zwischen "Glück haben" und "glücklich sein", denn der Untertitel ist in dieser Hinsicht etwas irreführend. Sehr gefallen hat mir der Gedanke, den Herrn der Laternen trotz seiner hochtrabenden Reden nicht als weitblickende Schicksalsgottheit, sondern als bornierte, engstirnige Beamtenseele darzustellen, die keine Ausnahmen dulden kann und nicht über den "Ermessensspielraum" der höheren Instanzen und den Blick für das große Ganze verfügt.
Fazit: Eine traumhafte, sehr musikalische Geschichte, die Lust auf mehr macht. Ein gelungener Auftakt für die Novellenreihe.
Thilo Corzilius: Der Herr der Laternen. Die traurige Geschichte vom glücklichsten Mann der Welt. Homburg/Saar: UlrichBurger-Verlag, 2012. 149 S., Euro 7,50.
Weitere Besprechungen zu Thilo Corzilius:
Das Mädchen und der Leuchtturm
Weitere Bücher aus der Novellenreihe des UlrichBurger-Verlags:
Christoph Marzi: Charing Cross
Jens Schumacher: Der Hügel von Yhth
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© Petra Hartmann