Nicole Rensmann: Niemand - mehr
Vor zehn Jahren hatte Nina das Niemandsland gerettet und seinem Herrscher einen Namen gegeben. Seitdem hat sie die Grenze zum Niemandsland nicht mehr übersczritten, sie ist eine erwachsene Frau geworden, und was im Land passierte ... nun, das bekam sie nicht mit. Erst als sie eines Abends von einem Stalker verfolgt wird, der sich als der Schwarze Mann entpuppt, und sie angstvoll flieht, gerät sie plötzlich zurück in das Land. Ihr Land. Jedenfalls in das Land, das einmal auch ihres war. Aber wie sieht es dort aus!
Das Niemandsland ist verdorrt und leidet unter der unendlichen Hitze, da der Zeithebel verklemmt ist. Im Land herrschen der bösartige Schrottmann, der alles, was nicht niet- und nagelfest ist, auf seinen Schrottplatz abtransortiert, und "Das Allerschlimmste", dem es Spaß macht, seine Untertanen zu quälen, zu Tode zu erschrecken und ihnen das zu zeigen, was in ihren verborgensten Vorstellungen das allerschlimmste ist, was sie erleben können.
Niemand ist verschwunden, ist wieder unsichtbar geworden. Und es ist an Nina, ihr Land zum zweiten Mal zu retten.
Ein paar der alten , lieb gewordenen Freunde aus dem ersten Band sind wieder anzutreffen, so zum Beispiel der Nikolaus und das Himmlische Kind. Petit, der kleine Trauerkloß, und der Drecksack sind wieder mit an Bord, und der Leser, der im ersten Teil Pinn und Nöckel liebte, wird sich sicher über das Fensterladenhalterbaby, das Pinnöckelchen, freuen, das Nina auf ihrer Reise begleitet. Man trifft Honks und goldgelockte Giganten-Greislinge, einen armen Teufel, Phantastinaken, Arschkriecher und die Wunschfee Fräulein Klimper. Und die seltsame Heldengruppe, in deren Mitte sich Nina bewegt, ist um einige zauberhafte Personen reicher geworden: ein Klingelmäuschchen ohne Nase, die betagte doch kampferprobte Oma Hempel, unter deren Sofa sich Nina urplötzlich wiederfindet, eine Knalltüte und ein etwas nerviges und sehr vergessliches Galgenfrauchen namens Tilde aus Satzzeichen, die manchmal durcheinander geraten.
Wer von "Niemand" begeistert war und jetzt von "Niemand -mehr" das gleiche noch einmal erwartet, wird vermutlich enttäuscht sein. "Niemand - mehr" ist anders, und das ist gut so. Niemand hätte einen zweiten "Niemand" gebraucht. Ein wenig fehlt der anarchische, spontane, überschäumende Charme des ersten Teils, es fehlt seine Naivität und Unabsichtlichkeit. "Niemand - mehr" ist ein gemachter, durchdachter Roman, der uns daran erinnert, was passiert, wenn man sich nicht um seine Traumländer kümmert. der vom Älterwerden, vom Tod und von der Vergänglchkeit der Utopien erzählt. Vielleicht enthält er auch ein wenig zu viel Hin und Her, immerhin besteht ein Großteil der Geschichte darin, mehrere Heldengruppen dabei zu beobachten, wie sie von A nach B reisen und etwas oder jemanden suchen.
Wie schrieb doch die Autorin im Anhang in ihren "Mis- und Outwrites"?
"Immer diese Sucherei, wer hat sich das ausgedacht.
Oma Hempel: Naja, ein Geschichtenschreiber vermutlich.
Natürlich, ein Mann, wer sonst.
Es kann auch eine Frau gewesen sein.
Nein, so einen Mist denkt sich nur ein Mann aus."
Ganz so hart wird vermutlich niemand das Buch beurteilen. Es ist einfach ein liebenswertes Hin und Her, ein Wiedersehen mit Freunden und ein erwachsen gewordenes Niemandsland. Nicht mehr, nicht weniger, eben Niemand mehr.
Fazit: Liebenswürdige Fortsetzung eines Zauberbuchs. Nicht mehr ganz so jugendlich und unbekümmert wie Teil I, eher traurig, melancholisch und ein Bericht aus einer gefährdeten Welt mit grausamen Herrschern. Zauberhaft, aber anders. Und lesenswert.
Nicole Rensmann: Niemand - mehr. Fabylon-Verlag, 2016. 352 S., Euro 16,90.
© Petra Hartmann