Mark Brandis - Roman: Vorstoß zum Uranus
Mark Brandis und seine Crew müssen eine verschollene Expeditionsgruppe auf dem Uranus bergen - ein spannendes Thema, doch der Roman krankt an Zufällen und Logikmängeln.
„Vorstoß zu Uranus“ heißt der 5. Band der Science-Fiction-Serie Mark Brandis, der in der auf 31 Bände ausgelegten Gesamtausgabe im Wurdackverlag erschien. Commander Mark Brandis und seine Crew haben einen brisanten Auftrag: Sie fliegen mit der „Hermes“, dem noch ungetesteten Prototyp eines neuen superschnellen Raumschiffs zum Planeten Uranus, um dort eine verunglückte wissenschaftliche Expeditionsgruppe zu retten - und vor allem deren Schiff vor dem Zugriff der gleichfalls zur Bergung anrückenden Chinesen zu schützen.
Einer der weniger gelungenen Romane von Nikolai von Michalewsky
Das Buch ist nicht ganz unproblematisch und wird von Fans der Reihe oft zu den weniger gelungenen Werken des Verfassers gerechnet. Tatsächlich gibt es viele glaubwürdigere (sofern man im phantastischen Genre von Glaubwürdigkeit sprechen kann), logisch durchdachtere und mitreißendere Romane von Nikolai von Michalewsky, der die Reihe unter dem Pseudonym „Mark Brandis“, dem Namen seines Protagonisten, verfasste. Vor allem gegen den jetzt zeitgleich neu erschienenen 11. Teil der Reihe, "Operation Sonnenfracht" fällt das Buch stark ab.
Mark Brandis begegnet den Problemen der 1970er Jahre
„Jeder historische Roman vermittelt ein ausgezeichnetes Bild von der Epoche des Verfassers“, schrieb einst Kurt Tucholsky. Er hätte hinzufügen können: „Das gilt auch für jeden Zukunftsroman.“ Denn das Abenteuer, das am 15. Oktober des Jahres 2072 - also genau 100 Jahre nach dem ersten Erscheinen des Buches - beginnt, wirft ein deutlicheres Licht auf die politischen und sozialen Probleme der 1970er Jahre als manches Geschichtsbuch.
Der lange Schatten der Apartheid
In einer Welt, in der Staats- und Rassengrenzen offiziell gefallen sind, in der die EAAU, die Europäisch-Amerikanisch-Afrikanische Union, als Garant für Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde nach dem Sturz des Diktators Gordon B. Smith offiziell wieder errichtet ist, haben noch längst nicht alle Bürger die schönen humanistischen Ziele auch verinnerlicht.
Brandis, der bisher nach eigenem Bekunden nie ein Problem mit „gemischten“ Crews hatte, versteht die Welt nicht mehr, als sein neuer Pilot Martin van Kerk den schwarzen Bordingenieur William Xuma als Nigger beschimpft, nicht mit ihm gemeinsam essen will, ihn gar in einer lebensgefährlichen Situation ohne schlechtes Gewissen im Stich lässt. Van Kerk, der weißhäutige Südafrikaner, hat die Gesetze der Apartheid derart verinnerlicht, dass er gar nicht begreift, wieso ihn der zornige Commander vom Dienst suspendiert und unter Arrest stellt.
Doch auch der sonst recht liberale und aufgeklärte Brandis hat schwer an seinen Vorurteilen zu arbeiten. Der Mann, der mit Afrikanern freundschaftlichen Umgang pflegt, muss ganz schön daran knabbern, dass man ihm erstmals eine Frau als Crewmitglied zugeteilt hat. Allerdings lösen sich die Spannungen im Geschlechterzwist wie unter zivilisierten Menschen in einem Gelächter nach einer überstandenen Gefahr.
Scotts verunglückte Südpol-Expedition im Science-Fiction-Gewand
Nikolai von Michalewsky stellt sich mit seiner verschollenen Uranus-Expedition deutlich in die Tradition berühmter verunglückter Polar-Forschungsreisen. Nicht zufällig trägt der Expeditionsleiter und Erzrivale des Ich-Erzählers den Unglücksnamen Scott, und sehr bewusst erinnert das Tagebuch zweier Expeditionsteilnehmer, die einen günstigeren Punkt zur Absetzung eines Notrufs suchen und nie zum Schiff zurückkehren, an die letzten Aufzeichnungen des verhinderten Südpol-Entdeckers.
Einmal merkt Brandis auch an, dieses Abenteuer folge den Regeln einer griechischen Tragödie. Allerdings wussten die Altmeister des antiken Theaters Schicksalsschläge etwas besser aus der Handlung heraus zu motivieren und vorzubereiten.
Ungeschickte Dramaturgie: Viel zu viele Zufälle
Der Roman leidet an vielen Zufällen und unvorbereitet eingefügten Ereignissen. Totalausfälle des unerprobten Schiffes treffen immer mal wieder unerwartet ein. Als Xuma mit dem Dingi nach einem plötzlichen Meteoritensturm das Schiff umkreist, wird die Hermes erneut Opfer eines Blackouts, das Beiboot geht verloren, Xuma wird nach langem Suchen als unauffindbar aufgegeben. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass er in der Unendlichkeit, die zuvor nur das Uranus-Forschungsschiff durchquert hatte, von einem chinesischen Schiff aufgegriffen wird? Da es sich bei dem Retter nicht um die „Herz aus Gold“ mit dem unendlichen Unwahrscheinlichkeitsdrive aus Douglas Adams†™ „Anhalter“-Romanen handelt, dürfte sie gleich Null sein.
Aber Xuma setzt noch eins drauf: Als Gefangener der Chinesen gelingt es ihm plötzlich, nach Ablauf eines zweistündigen Ultimatums, ein Loch in den Chinesenraumer zu schießen. Ist niemand auf die Idee gekommen, den Gefangenen zu entwaffnen?
Wissenschaftlich nicht auf der Höhe der Zeit
Dass der Uranus ein Gasplanet ist, auf dem man nicht herumlaufen kann, war 1972 bereits bekannt, wurde zumindest theoretisch diskutiert und dem Roman schon damals vorgeworfen.
Wenn Scott mit dem reparierten Schiff aufsteigt, um sich mit großer Geste als Selbstmörder in die Sonne zu stürzen, wird Brandis' Handeln vollends unglaubwürdig. Immerhin war sein Auftrag, das Schiff vor dem Zugriff der Chinesen zu schützen. Wie lange braucht ein Selbstmörder für die Strecke Uranus-Sonne, wenn schon das wesentlich modernere Schiff „Hermes“ für die Strecke Erde-Uranus anderthalb Monate benötigt? Zeit genug, den Entschluss zu überdenken, oder von den Chinesen gefasst zu werden, ist jedenfalls vorhanden. Scott hätte besser daran getan, in einen der tödlichen Uranus-Staubseen zu springen.
Dass Xuma schließlich auf der vorletzten Seite dem Apartheids-Apostel van Kerk an einem solchen Staubloch das Leben rettet, der daraufhin seiner absurden Ideologie abschwört, mutet an wie ein „Deus ex Machina“ mit dem Holzhammer.
Fazit: Ein Roman mit vielen Schwächen, der vorwiegend historisch interessant ist. Für Nicht-Fans nur bedingt empfehlenswert.
Mark Brandis: Vorstoß zum Uranus. Wurdackverlag. Paperback, 186 Seiten. Euro 12.
Weitere Besprechungen zu Mark-Brandis-Romanen:
Band 5: Vorstoß zum Uranus
Band 6: Die Vollstrecker
Band 11: Operation Sonnenfracht
Band 12: Alarm für die Erde
Band 13: Countdown für die Erde
Band 14: Kurier zum Mars
Band 15: Die lautlose Bombe
Band 16: Pilgrim 2000
Band 18: Sirius-Patrouille
Band 19: Astropolis
Band 20: Triton-Passage
Band 23: Vargo-Faktor
Band 24: Astronautensonne
Band 25: Planetaktion Z
© Petra Hartmann