
Thorgal Saga: Shaigan

Um Shaigan den Gnadenlosen geht es im dritten Band der Reihe "Thorgal Saga". Also um jenen gefürchteten Seeräuber, zu dem Thorgal in der Zeit seines Gedächtnisverlusts wurde. Das Abenteuer spielt in der Zeit vor Band 22 der Hauptserie, "Im Land der Riesen".
Der Blick auf die Macher dieses Abenteuers verwirrt etwas. Denn Texter Yann und Zeichner Roman Surzhenko sind alte Bekannte der Thorgal-Gemeinde und haben schon zahlreiche Alben mit den Abenteuern des Sohns der Sterne vorgelegt. Ursprünglich war die neue Reihe "Thorgal Saga" ja angetreten mit der Ankündigung, man lade "talentierte junge Autoren ein, nun auf ihre jeweilige Art für ein außergewöhnliches Abenteuer das phantastische Schicksal des Sohnes der Sterne zu schildern und zu bereichern", so der Klappentext des ersten Bandes "Adieu Aaricia" von Robin Recht. Diesmal also keine überraschenden Newcomer, sondern zwei "alte Bekannte", keine Wundertüte. Aber vielleicht wollten die beiden bewährten Mitstreiter der Serie sich auch einmal in dem größeren Format austoben und sich den Raum nehmen, der ihrer Kunst durchaus angemessen ist. Wie auch immer: Der vorliegende Band ist ein Abenteuer, das durchaus etwas hermacht und zu einem echten Höhepunkt der Reihe wurde.
Ein Pirat auf der Suche nach sich selbst
Thorgal, der sein Gedächtnis verloren hat (beziehungsweise es bewusst ausgetilgt hat, um dem Fluch der Götter zu entgehen), ist von Kriss de Valnor gefunden worden, die ihm einredete, er sei ihr Partner, der berüchtigte Seeräuberhauptmann Shaigan, der Gnadenlose. Zu Beginn des Albums erleben wir Shaigan auf der Höhe seiner Macht und Kriss am Ziel ihrer Träume: Sie rauben und morden und horten reiche Schätze. Aber schon zu diesem Zeitpunkt ist klar, dass irgend etwas nicht stimmt. Während Kriss ihre Blutgier und Grausamkeit ungezügelt auslebt und beim Überfall auf ein Nonnenkloster die alten Frauen gnadenlos mit der Axt erschlägt und die jungen in die Sklaverei verkauft, ist Shaigan zurückhaltend. Die alte Abscheu Thorgals vor Mord und sinnlosen Grausamkeiten konnte der Zauber nicht austilgen. Zweifel regen sich in ihm. Er versucht, herauszufinden, wer er wirklich ist.
Eine "Fischgräte" als Wahrsage-Lohn
Helfen und seine Vergangenheit aufdecken könnte ein alter mächtiger Zauberer. Doch dessen Dienste sind nicht gratis zu erhalten. Er fordert von Shaigan als Bezahlung ein besonderes Schwert: "Die Fischgräte" gehörte König Halvdan und soll mit ihm zusammen begraben worden sein - mit dem König, seinem Schatz und seiner exquisiten Sammlung hervorragender Schwerter. Thorgal/Shaigan beschließt, sich auf die Suche nach der Insel zu machen, auf der Halvdan begraben liegt. Warum er das Schwert haben will, verrät er nicht einmal Kriss. Doch der sagenhafte Schatz des alten Königs ist als Lockmittel ohnehin genug. Als sich allerdings herausstellt, dass der König nach seinem Tode zum Draugr wurde, zum blutgierigen Wiedergänger, sinkt die Begeisterung der Männer.
Erneut die Suche nach einem magischen Gegenstand
Also erneut eine Queste, die Suche nach einem magischen Gegenstand. Bei Odin! Was haben Thorgal und seine Angehörigen nicht schon alles gesucht! Mal ist es Das Auge Odins, mal Der Schild des Thor, mal geht es um Die abgeschnittene Hand des Gottes Tyr, und gerade erst im zweiten Album der Thorgal Saga, Wendigo, musste Thorgal einen Ast aus der Spitze eines magischen Baums besorgen, um einen Zauberpfeil herzustellen. Man kennt das.
Ist es schlimm? Nein. Nicht, wenn die Erzählkunst Surzhenkos und die prächtigen Bilderwelten Yanns dieses Abenteuer in Szene setzen. Die blutigen Schlächtereien einer Kriss de Valnor, die Machtverschiebungen innerhalb der Schiffsmannschaften, das Aufbegehren der Schildmaiden, Stürme, Schlachten, Schiffsunglücke und das Heranrücken der Armee von schaurigen Wiedergängern, all das hat hier genau das richtige Format gefunden und erhielt genau die Ausstattung, die einem solchen Epos angemessen ist.
Optisch und erzählerisch ist dieses Album sicherlich ein Höhepunkt des Thorgal-Kosmos, und die Beigaben im Anhang sind auf jeden Fall eine schöne Ergänzung. Sehr schön auch die Art, wie das Album auf die Hauptserie verweist und wie das Ende nahtlos in den 22. regulären Thorgal-Band übergeht. Insofern: ganz klar Daumen hoch für das bewährte Duo, das sich im Chor der "jungen Talente" sicher nicht verstecken muss.
Ein Album voller Sprachpatzer
Unschön ist allerdings erneut, wie sehr in diesem Album die deutsche Sprache verhunzt wird. In jüngster Zeit waren die Fehler ja weniger geworden, doch diesmal haben vor allem die Genitiv-Ignoranten wieder voll zugeschlagen.
Ein paar Beispiele, die ein guter Korrekturleser hätte finden müssen:
"Das befestigte Lager des wilden Thorkel, dem grossen Oberhaupt der Jömswikinger-Söldner." (S. 12)
"... 'Die Fischgräte', die er aus der Gruft von Sigtygg geraubt hatte, dem Berserkermörder und sehr altem König von Vestfold ..." (Seite 24)
"Du wirst unser Versteck gegen Plünderer und Herumtreiber verteidigen ... und vor Möwenschiss!" (S. 27)
"Du vergisst den Schatz des Königs Halvdan, dem Finsteren." (S. 28)
"Dieser klapprige Steinhaufen und dieser schäbige Sakophag erscheinen mir etwas armselig für den Leichnam eines so angesehenen Kriegsherrn wie Halvdan, dem Finsteren ..." (S. 44)
"Ein Schatz, der kaum einem kleinen Jarl würdig ist?" (S. 59)
"Dieser eitle 'Thorkel der Grosse' wird nicht bereuen, dass er (')Shaigan den Gnadenlosen' herausgefordert hat." (S. 70)
Mich nerven vor allem die Genitiv-Fehler. Dieser Kasus müsste doch selbst im Splitter-Verlag bekannt sein. Gibt es denn keine des Deutschen mächtigen Übersetzer, Lektoren und Korrekturleser mehr bei dem Verlag? Es tut wirklich weh, wenn ein ansonsten hochwertiges Werk durch Sprachschlamperei in der deutschen Fassung so versaut wird. Verlange ich zu viel von einem deutschen Verlag? Macht doch einfach eure Arbeit ordentlich.
Fazit: Hochwertiges, spannend erzähltes und großartig gezeichnetes Abenteuer in völlig angemessenem Großformat, gute Ausstattung, absolut empfehlenswert - abgesehen von einigen ärgerlichen Sprachpatzern. Bitte mehr Sorgfalt.
Thorgal Saga: Shaigan. Text: Yann, Zeichnungen: Roman Surzhenko. Bielefeld: Splitter, 2025. 80 S., Euro 22.
Weitere Thorgal-Abenteuer
Thorgal 31: Der Schild des Thor
Thorgal 32: Die Schlacht von Asgard
Thorgal 33: Schwertboot
Thorgal 34: Kah-Aniel
Thorgal 35: Scharlachrot
Thorgal 36: Aniel
Thorgal 37: Der Eremit von Skellingar
Thorgal 38: Die Selkie
Thorgal 39: Neokora
Thorgal 40: Tupilak
Thorgal 41: Tausend Augen
Thorgal 42: Özurr, der Waräger
Kriss de Valnor 1: Ich vergesse nichts!
Kriss de Valnor 2: Das Urteil der Walküren
Kriss de Valnor 3: Einer Königin würdig
Kriss de Valnor 4: Bündnisse
Kriss de Valnor 5: Rot wie der Raheborg
Kriss de Valnor 6: Die Insel der verlorenen Kinder
Kriss de Valnor 7: Der Berg der Zeit
Kriss de Valnor 8: Der Herr der Gerechtigkeit
Lupine 1: Raïssa
Lupine 2: Die abgeschnittene Hand des Gottes Tyr
Lupine 3: Das Reich des Chaos
Lupine 4: Crow
Lupine 5: Skald
Lupine 6: Die Königin der Schwarzelfen
Lupine 7: Nidhöggr
Thorgals Jugend 1: Die drei Schwestern
Thorgals Jugend 2: Das Auge Odins
Thorgals Jugend 3: Runa
Thorgals Jugend 4: Berserker
Thorgals Jugend 5: Slive
Thorgals Jugend 6: Der Drakkar aus dem Eis
Thorgals Jugend 7: Blauzahn
Thorgals Jugend 8: Die zwei Bastarde
Thorgals Jugend 9: Die Tränen der Hel
Thorgals Jugend 10: Sydönia
Thorgals Jugend 11: Grym
Thorgal Saga: Adieu, Aaricia
Thorgal Saga: Wendigo
Thorgal Saga: Shaigan
© Petra Hartmann