
Ute Zimmermann: Kampf, Tod und die Erweckung des Helden

"Kampf, Tod und die Erweckung des Helden", die klassischen Aufgabengebiete einer Walküre, sind das Thema von Ute Zimmermanns gleichnamiger Dissertation. Die Autorin befasst sich mit den Walkürenvorstellungen in der mittelalterlichen skandinavischen Literatur, erläutert die Tätigkeitsfelder dieser Dienerinnen Odins und bemüht sich um eine Abgrenzung zu anderen mythischen Frauengestalten.
Zimmermann macht deutlich, dass es große Unterschiede zwischen Walküren, Schwanenjungfrauen und Schildmädchen - Frauen, die mit Schild und Speer in den Krieg zogen - gab. Die beiden letzteren wurden offenbar erst in späterer Zeit, als das Wissen um die germanische Götterwelt mehr und mehr verlorengegangen war, mit den Walküren identifiziert. Eine gewisse Verwandtschaft scheint zu den Nornen und anderen Schicksalsweberinnen zu bestehen, wie es etwa die Nials Saga schildert: Hier weben die Walküren an einem mit Totenköpfen behangenen Webstuhl während einer Schlacht aus Fleisch und Knochen ein schauriges Gewebe, während sie offenbar gleichzeitig als Kämpferinnen aktiv an der Schlacht teilnehmen.
Einen besonderen Schwerpunkt legt die Autorin auf die Walküren der Helgilieder und der Thidreks-Saga. In der Geschichte von Helgi den Sohn Hjörwards, den beiden Liedern über Helgi den Hundingstöter und den verschollenen Karaliedern geht es um einen Helden und seine Walküre, bzw. immer wieder um denselben Helden und dieselbe Walküre, da die Protagonisten jeweils wiedergeboren werden. Sehr interessant hierzu der Vergleich zu Siegfried und seiner Walküre. Zimmermann arbeitet hier einige Parallelen in der Beziehung beider Protagonisten heraus. Ein junger, oft sich selbst unbewusster oder tumber Mann begegnet seiner Walküre, sie erweckt ihn zum Heldentum, zum Beispiel dadurch, dass sie ihm verrät, wer er eigentlich ist, oder dadurch, dass sie ihn überhaupt zum Sprechen befähigt. Oft verleiht sie ihm auch magische Hilfsmitel wie ein Schwert, ein tüchtiges Pferd oder Wissen, und stachelt ihn zum Kampf auf. Allerdings wird sie dabei auch oft Verursacherin seines frühen Todes. Bemerkenswert erscheint, dass zwischen Erweckung und frühem Tod gar nicht mehr so viel Heldentum zu liegen scheint. Das von seiner mythischen Begleiterin beflügelte Eilen von Heldentat zu Heldentat bleibt aus. Der Held begegnet seiner Walküre, und damit ist seine Karriere auch schon beinahe zu Ende.
Das Buch ist sehr umfassend und materialreich. Von der wohl ältesten Walkürenschilderung im Lied über Haraldr harfagri, in dem sich eine Walküre mit einem Raben unterhält und sich Nachrichten über eine Schlacht bringen lässt, über die Namenskataloge in der Völuspa und im Grimnismal bis hin zu den Schwanenjungfrauen des Wielandslieds, die nur durch eine später eingeschobene Prosaerklärung als "Walküren" ausgewiesen sind, breitet Ute Zimmermann ein weites Panorama vor dem Leser aus. Sie erläutert, welche Bedeutung das Ausschenken des Bieres durch die Hausherrin in der alten germanischen Tradition hatte, wie die Walküren Wettererscheinungen hervorriefen oder das gegnerische Heer lähmten, und geht der Frage nach, ob die Walküren nun aktiv kämpften oder nur von oben ordnend und leitend tätig waren.
Lesenwert und gut zum späteren Nachschlagen ist auch der Anhang, in dem die Namen der einzelnen Walküren etymologisch aufgeschlossen werden. Eine wahre Fundgrube.
Das Buch lässt sich sehr gut lesen und ist auch für Nicht-Skandinavisten eine spannende Lektüre. Etwas unschön sind lediglich einige Redundanzen. Einige Grundaussagen werden mehrfach wiederholt, etwa die Abgrenzung der Walküren zu anderen Frauengestalten oder das Schema von Erweckung des Helden und Verursachung seines Todes. Auch der hohe Preis ist ein Manko. Dass wissenschaftliche Arbeiten wegen der kleinen Auflage etwas mehr kosten, ist durchaus verständlich. Aber 85 Euro für 317 Seiten ist mehr als viel. Vergleichbare Publikationen anderer Dissertationsverlage erhält man durchaus für die Hälfte.
Fazit: Gut recherchiert, verständlich dargeboten, reich an Material und Anregungen, lesenswert und eine gute Arbeitsgrundlage, leider ziemlich teuer.
Ute Zimmermann: Kampf, Tod und die Erweckung des Helden. Zu den Walkürenvorstellungen in der mittelalterlichen skandinavischen Literatur. Hamburg: Verlag Dr. Kovac, 2012. 317 S., Euro 85.
© Petra Hartmann